Radiohead – A Moon Shaped Pool
Thom Yorke so: Mensch ich habe einen alten Schuhkarton voll Songs bei mir unter dem Sofa gefunden. Jonny Greenwood so: Und ich habe noch klasse Arrangements von Inherent Vice zwischen meinen Socken versteckt. Thom York so: Sollen wir ne Platte draus machen oder das Zeug Chris Martin anbieten? Jonny Greenwood so: Wir machen selber ne Platte, aber nur wenn Du dir die Haare zu einem Dutt zusammensteckst. Herausgekommen ist mit A Moon Shaped Pool ein sehr introvertiertes Album mit einem geschlossenen Sounddesign, das sehr laut am besten funktioniert und natürlich irgendwie toll ist.
Die Tracks sind kleine, leicht verstaubte Kristallfigürchen, die auch in der Sammlung von pensionierten Kreditoren-Buchhaltern ihren Platz finden können. Radiohead erinnern mich dabei ein wenig an das spanische Fußballteam bei der EM. Sie geben die größten “zungeschnalz“, „zungeschnalz“ Ticki Tacka Zauberer für Connaisseure, aber letztendlich fehlt ihnen doch der Zug zu Tor. Dass ehemals innovative Bands in ihren Alterswerken gern selbstreferentiell und ein bisschen altväterlich werden, hat man ja schon bei Tocotronics rotem Album oder Pink Floyd “The Wall” beobachten dürfen. Das ist aber nicht weiter schlimm, ich schließe mich meinen 5.789 Vorrezensenten an und tippe mal dass „Moon …“ auf Platz 7-10 in jedermanns Jahrescharts landet. Die weiße Vinyl-Ausgabe ist übrigens sehr schick und macht schön platziert im Plattenstapel wirklich was her.
Plaste-These: Wer „A Moon Shaped Pool hört, hängt sich auch gern Cover von Vinylalben in Gladsax Rahmen im Wohnzimmer auf.
Beyonce – Lemonade
Mal unter Pfarrerstöchtern, R&B ist nicht unbedingt ein Plaste Spezialgebiet. Rihanna, Shakira & Co. fallen für in die Kategorie „aufgepimpte Sängerinnen, die das Zeug singen, dass bei Deutschland sucht den Superstar von überambitionierten Frisösen gnadenlos geschreddert wird“. Auch das Format “Komplettverfilmung der Albums” ist nicht wirklich neu. Und Mainstream-Alben mit angesagten und authentischen Eigenbrötlern wie James Blake aufzubrezeln, zahlt nicht nachweislich auf ein spannendes Ergebnis ein.
Lemonade ist Beyonces Reflektion eines Aufwachsens in den Südstaaten, was vor allem in dem Verfilmung des Albums zum Tragen kommt. Besonders wirkmächtig ist das im Clip von „Hold up“, in dem sie mit dem Baseballschläger gleich eine ganze Batterie Macho-Monstertrucks getrümmert. Lemonade ist vor allem aber sehr kraftvoller und überraschend intensiv knalliger Pop. Pop, der immer mal wieder gern an der Tür scharrt, hinter der sich das Independent Paradies mit all den coolen Typen und bunten Paradiesvögel verbirgt, die definitiv die richtige Haltung besitzen. Verstörend ist für mich – als jemand der seit 1984 die Charts verachtet – ist nur, dass ich bisher noch keinen meiner persönlichen Ohrwürmer auf SWR3 gehört habe. Format Radio Quo Vadis?
Plaste-These: Wer „Lemonade“ hört, verzichtet im Supermarkt auf Plastiktüten und nimmt gern auch mal an Radio-Gewinnspielen teil
Anohni – Hopelesness
Public Enemy sind einst angetreten um “Black Mans CNN” zu sein. Ist die Platte von von Anhoi dann vielleicht sowas wie “Gutmenschs Social Media”? Anhoi ist die ehemalige Anthony von Anthony & the Johnsons, sie hat sich entschieden nun endgültig Frau zu sein. Musikalisch gab es eine Neupositionierung. Weg von Anthonys Kammerpop, der auf den letzten Alben doch etwas abgewaschen wirkte. Der elektronische Sound stammt von Oneohtrix Point Never und Hudson Mohawke. Die Musik fungiert aber nicht mehr und nicht weniger als kongenialer Backgroundsound zu Anohnis politischen Statements.
Das Album startet mit “Dronebomb me” dem Todeswunsch eines traumatisierten Kriegsopfer. Das wunderschöne “4 Degrees” schildert die Auswirkungen des Klimawandels. Die Themen verbieten einerseits eine allzu gefällige Choreografie. Andererseits ist “Watch me” ein fast zärtlicher Ohrwurm, der die staatlichen Abhörpraktiken als zynisches Liebeslied an seinen Daddy inszeniert. Hopelessnes ist die Platte, die als Soundtrack für dieses irre Jahr 2016 funktioniert. Die Musik kann jedoch nur jedoch nur den Zustand unserer Gesellschaft reflektieren – die richtigen Antworten darauf müssen wir uns selbst geben.
Plaste-These: Wer „Hopelesness“ hört, der versucht sich auch schonmal in Counterspeech auf Facebook und zahlt fürs taz online lesen.
Swans – The Glowing Man
Die Triologie “The Seer“ – „To be Kind“ – „The Glowing man” ist eine HBO-Serie von Cecill B. DeMille. 50.000 Statisten in Wikingerrüstung schleudern primitive Steinäxte in die erlöschende Sonne. Verfolgt von einer Horde wahnsinniger Wollnashörner auf der Suche nach den dunkelsten Orten der menschliche Seele. The Glowing Man, als Abschluß der dritten Staffel wirkt ein wenig luftiger und femininer als die beiden Vorgänger. Wenn man diese Vignette überhaupt an den Sound der Swans, der schwerer ist als die Lektüre von „Unendlicher Spaß„, heften kann. Der Grund hierfür liegt allerdings weniger an einer einsetzenden Altersmilde von Michael Gira, als den Gesangseinlagen seiner Gattin Jennifer.
Die Platte ist drückend und zäh, wie z.B. mein Highlight “Frankie M”. Hier schliert der Sound anfangs bedrohlich. Er würde jede ZDF-Produktion, als Soundtrack unterlegt, in einen Horrorfilm verwandeln. Das Noise-Intro geht über in eine Auflösung, in der die Drogenerlebnisse des Frankie M. in einem kleinen Popsong ihre Verarbeitung finden, bevor die Geschichte in einer Geräuschkakophonie endet. Und bevor man es sich versieht ist nach gerade mal 20.57 Min. auch schon alles vorbei. Dabei ist Frankie M. nur der viertlängste Song der Platte. Gibt es für solche Musik eigentlich einen Namen. Industrial Oper? Noise Operette? Gute Ideen, bitte direkt an die Schülerzeitung Deiner Wahl.
Plaste-These: Wer „The Glowing Man“ hört, hat auf Konzerten immer Ohrenstöpsel dabei um sich sein Resthörvermögen für Michael Gira aufzusparen.
Car Set Headrest – The Teens Denial
The Teens Denial ist bereits Will Toledos 13. Platte, von denen zwei sogar nachweislich veröffentlicht wurden. Die restlichen elf gammeln wahrscheinlich zu unrecht in seinem Kinderzimmer zwischen schwieligen Teletubbies-Puppen und Nintendo Spielen rum. The Teens Denial entstand während der unglücklichen High School Zeit von Toledo. In der Zeit in der man merkt, dass die Zukunftsmodelle der Mitstudenten nicht unbedingt für einen selbst adaptierbar sind. Und der Ort an dem die besten und klassischem Slacker Alben entstehen.
Ich mache es ja nicht so gern, aber um den Sound zu beschreiben, darf ich mal zwei Bands aus der Referenzschublade ziehen. Also dann sag ich mal Pavement und sage mal Built to Spill und lasse mal einen Zipfel Eleventh Dream Day aus der Schublade schauen. Toledo lässt die Songs, die er sich zum Großteil auf der morgendlichen Fahrradfahrt zur Uni ausgedacht hat, gern etwas schlingern und flattern um sie mit den straighten Gitarrenriffs wieder zu kleinen Noise-Pop Hymnen zusammen zu kleben. Wir dürfen auf die nächsten 13 Alben von Car Seat Headrest gespannt sein.
Plaste-These: Wer „A Teen Denial“ hört, spielt mit dem Gedanken sich ein E-Bike sowie eine Sammlung aller Dinosaur Jr. Platten zuzulegen.
Pantha Du Prince – Triad
Ich habe kürzlich einen Artikel gelesen in dem die Musik von Pantha du Prince in die Esoterik Ecke und in eine Reihe mit Entspannungs -Musikkünstlern geschoben wird. Das wird ihm natürlich nicht gerecht und irgendwie doch. Für das Vorgängeralbum inspirierte er sich in den Schweizer Alpen. Live treten er und seine Musiker in kimonoartigen Gewändern und Parabolspiegeln auf der Stirn auf. Er selbst bezeichnet seinen Stil als “ritualistische Tanzmusik”. Wahr ist – die Platte hat einen wahnsinnigen Flow. Sie ist ein Raumschiff das durch die Galaxien torkelt, in dem sich dickliche Theologie-Studenten als Hippie verkleiden und Sun Ra das Glockenspiel bedient. Der Sound fußt auf luftigen Beat mit melodieführenden Trademark-Glocken von Hendrick Weber. Kleine nervöse Elektronik Miniaturen sorgen dafür, das die Platte eben doch nicht als Jogasoundtrack für den Kundenberater der Volksbank taugt.
Plaste-These: Wer „Triad“ hört hat immer eine Spex auf dem Coffee-Table liegen und pflegt eine Jean Michelle Jarre Playlist.
Reissues
Grace Jones – Warm Leatherette
Das vierte Studioalbum war für Jones ein ziemlicher Schritt nach vorn. Ihre ersten Werke waren von Tom Moulton produzierte ziemlich austauschbare Disco Alben. Für “Warm Leatherette” ging sie zum ersten Mal in das Compass Point Studio um ihren Tracks durch die Rhythm Section um Sly Dunsbare und Robbie Shakespear ein Gerüst geben zu lassen. Die Compass-Point All Stars halfen im Jahr zuvor auch David Byrne und Brian Eno, ihre Träume von einem Sound zu realisieren, der die quecksilbrige Hektik von New York mit afrikanischen Polyrythmen verbindet
Das Konzept hier ist ähnlich: Jones schnappt sich z.B. für den Titelsong den minimalistischen Electronictrack von Mute-Gründer Daniel Miller über ein Paar, das schwer verletzt nach einem Autounfall Sex hat. Sie macht daraus eine schleichend lasziv, schwüle Cyperpunk Hymne. Die Rhythm Sektion vom Compass Point Studio nahm sich für die Tracks genügend Zeit und lässt die Melange aus karibischen Rythmen, pulsierenden Reggae Bässen, versponnener Elektronik und Domina-Rock entspannt ausrollen. Den Rest macht Grace Jones, die mit der in Nassau/ Bahamas aufgenommen Trilogie zur Ikonie der 80er wurde.
Plaste-These: Wer „Warm Leatherette“ hört, hat die Platte schon seit 1981 im Original kauft sie aber wg. der Bonus CD. Die aber doch so uninteressant ist, dass sie nie die CD-Hülle verlässt.
Ultravox!- The Island Years
Im Dezember 1977 war es soweit. Ich fläzte mich in der elterlichen Wohnlandschaft, um mir bei RockPop im ZDF die übliche Mischung aus Teeniepop und BOF-Adepten anzuschauen. Über Punk hatte ich mich bereits über die Pop-Seite in der HörZu ausführlich informiert und war ziemlich aufgeregt als Moderator Christian Simon mit Ultravox! eine echte Punk Band ankündigte. Der Song “Frozen Ones” ging gut ab, aber ich war enttäuscht dass Punks Staubmäntel statt Sicherheitsnadeln trugen. Auch frisurmässig entsprachen die Jungs nicht dem, was ich zuvor schon in Bravo kennen lernen durfte.
Vielleicht war bereits das Scheitern der Band – die ihren Bandnamen als Reminiszenz an die Krautrocker Neu! mit einem Ausrufezeichen versehen hat – schon hier einprogrammiert. Sie nahmen zwar Ende der 70er Jahre die musikalischen Aufbruchstimmung auf, passten aber in einer Zeit ohne Schubladendenken in keine Schublade. 1977 veröffentlichen sie “Ultravox!” von Brian Eno produziert und das straighte “Ha! Ha! Ha!”. Der Sound war ein Mix aus Punkhymnen, kleinen Experimenten, Synthesizern und Roxy Music Glamour. 1978, das Jahr in dem sich Punk für New Wave musikalisch öffnete durften sie ihr Album “Systems of Romance” beim Krautrock Mastermind Conny Plank produzieren. Das synthesizerlastige Album fungierte bereits als Vorgriff und Inspiration für die New Romantic Szene.
2016 wirken alle drei Alben so frisch wie 1978. Damals allerdings standen die Platten leider wie Blei im Regal. Island kündigte den Plattenvertrag und Sänger John Foxx verließ die Band. Der Rest riss sich den Sänger der Teenie-Band Slik, Midge Ure unter den Nagel und übernahm ohne ! im Namen die 80er.
Plaste-These: Wer „Ultravox!- The Island Years“ hört, stellt sich die Box gleich ins Regal zu den anderen Punk Devotionalien und erzählt jedem wie Scheisse Ultravox doch nach dem Weggang von John Foxx wurden.
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