Im Frühjahr 1987 spielten The Fall in Stuttgart in der Röhre. Mark E. Smith grummelte, murmelte und keifte sich durch die Tracks der Indie-Hit Alben „Bend Sinister“ und „The wonderful and Frightning world of…“ Die Band war zu dieser Zeit wahrscheinlich die am wenigsten rumpelige Rhythmus-Section für die Geschichten von Mark E. Smith. Diedrich Diederichsen hatte den Gesangsstil von ihm mal „Psychosen rappen“ genannt. Nach dem Konzert marschierte ich in den Backstage-Bereich um ihn für das Plaste-Fanzine zu interviewen. Smith saß erschöpft und mürrisch auf dem Sofa in der Umkleide, die Beine in kniehohen Gummistiefel erinnerte er mehr einen schlecht gelaunten Viehzüchter, denn an einen Popstar. Noch bevor ich mein Sprüchlein „I’m coming from a fanzine…“ herunterrattern konnte, grunzte er mir einen grummeligen, kehlig gesprochen Schrei an den Kopf. Ich interpretierte das so, dass er wohl zum Ausdruck bringen wollte, dass er momentan keine Lust auf Fanzine-Schreiber habe. Eine Sekunde später knallt auch schon die Tür vor meiner Nase zu. Soviel zu meinem persönlichen Fall-Moment. Happy End: Seine damalige Gattin Brix Smith und die Keyboarderin Marcia Schofield waren zugänglicher und ich kam zu meiner „The Fall“ Story.
Smith gründete die Band mit 1976 mit 19 Jahren. Auslöser war das legendäre Konzert der Sex Pistols in Manchester, aus dem auch Joy Division und die Buzzcocks hervorgingen. Seine Vorbilder waren u.a. Captain Beefheart und CAN. Schon die erste EP „Bingo-Master’s Break-Out“ trägt den genetischen Code für die nächsten 40 Jahre, 66 Bandmitglieder und 33 LPs in sich. Stoische krautrockverwandte Drumsounds und ein tiefer hämmernder Bass bilden das Fundament für Gesang von Smith. Er selbst formulierte das folgendermaßen „It was because of sounds; of wanting to make something; combining primitive music with intelligent lyrics.”
Schon ab der ersten EP gehörte die Band auch zum illustren Kreis der John Peel Lieblinge und bildete in den 80ern den Kern der UK Independent-Szene. Ohne jedoch den Durchbruch in die Kinderzimmer-Teeniewelt zu schaffen, wie das Cure oder Siouxie gelang. Dafür hatte Smith eine zu schlechte Frisur und sein Hemden/ Lederjackenoutfit war nur für Hardcore-Secondhand Käufer erstrebenswert. Aber auch Smith selbst war eben ein consistent schwarzhumorig, ätzender Zyniker, der sich den Goth-Träumereien nachhaltig verweigerte. In den 90ern experimentierte er mit Synthesizern und dezimierte seine Band auf zwei Mitglieder. Seine Frau Brix hatte ihn bereits Anfang des Jahrzehnts verlassen. Trotzdem lieferte er weiterhin großartige Songs wie z.B. „Theme from Sparta#FC“ ab. Musikalischer Höhepunkt dürfte die Zusammenarbeit mit dem deutschen Elektronik Duo Mouse on Mars als „Von Südenfeld“ sind.. Für ihn waren das „irre Typen aus Germany, die kaputte Spielzeugmusik produzieren“, also genau das richtige für den Mann aus Manchester.
Seine Platten in den 00ern und 10ern trugen alle, mal besser mal schlechter das Mark E. Smith Gen. James Murphy von LED Soundsystem imitierte auf „Loosing my edge“ Marks Gesangstil und adelte ihn damit endgültig zum legendären Typen.
Am 25.1. verstarb Mark E. Smith und ich habe heute wahnsinnig schlechte Laune.
Ich glaube er hätte das so gewollt.
Der Beitrag R.I.P. Mark E. Smith – Goodbye lieber Hip-Priest erschien zuerst auf Plaste.