Mit 24 Jahren trat Franziska Schreiber in die AfD ein. Sie war Vorsitzende bei der Jungen Alternative in Sachsen, Mitglied im Bundesvorstand und verließ die AfD kurz vor der Bundestagswahl. Grund war die zunehmende Radikalisierung der Partei. Über ihre Zeit bei der AfD und die Hintergründe ihres Ausstiegs veröffentlichte sie Anfang August das Buch „Inside AfD“. Eine Unterlassungerklärung vom rechten Verleger Götz Kubitschek folgt auf den Fuß. Auch Höcke und andere Granden haben mit rechtlichen Schritten gedroht. Als ich selbst das Buch kaufen wollte, war die erste Auflage auf jeden Fall schon vergriffen.
Inside AfD- das Buch
Schreibers Schilderung der Kontakte zwischen Frauke Petry und dem Verfassungsschutz haben inzwischen zu einer „Beförderung“ von Hans Georg Maaßen und einer handfesten Regierungskrise. geführt. Wer sich mit der AfD und der neuen Rechten beschäftigt und das sehr gut recherchierte Buch „Gefährliche Bürger“ von Liane Bednarz gelesen hat wird in in „Inside AfD“ nicht wirklich neue Fakten finden. Dafür entlarvt es aber die gefährliche Spirale der Radikalisierung dieser Partei, die sich bei ihrer Gründung noch als pickelhaubige Version der FDP gab.
Schreiber lässt uns hinter eine bröckelige bürgerliche Fassadenruine blicken. Eine Welt, die sich nur erahnen lässt, wenn gezielte Provokationen oder Ausfälle in sozialen Medien einen Blick ins Innere der Partei zulassen. So ist die Führungscrew der Partei einem ständigen Radikalisierungsdruck des dominierenden rechten Flügels ausgesetzt. Wer zu differenzieren versucht, gilt als „Halber“ und sieht sich schnell auf die Abschußliste der „Patrioten“gesetzt.
Alle Versuche des liberalen Flügels zur Abgrenzung gegenüber Pegida oder der identitären Bewegung wurden abgewehrt. Entsprechende Beschlüsse schlichtweg ignoriert. Es sind die Einblicke ins tägliche Geschehen, die das Buch interessant machen. Bei den ersten Pegida-Demos standen am Weg beispielsweise Spendenboxen, die wurden nach der Demo auf einem Tisch ausgeschüttet und die Geldbündel an die Veranstalter verteilt. Natürlich ohne Quittung. Die Partei, die sich gern über PC lustig macht, hat inzwischen selbst eine Art „political incorrectness speech“ entwickelt .
Die AfD hat innerhalb kürzester Zeit eine eigene Form politischer Korrektheit entwickelt. Sie beinhaltete spezifische ungeschriebene Regeln, wie zu denken, zu sprechen und zu agieren sei. Beispiel Sprache: Nicht von der Redefreiheit gedeckt waren und sind das Gendern und der Gebrauch von Worten wie „Bürger mit Migrationshintergrund“ oder „Schnitzel mit Paprikasoße“. Die AfD kultivierte Denk- und Sprechverbote unter umgekehrten Vorzeichen. Sie hatte durchaus vor, eine Mauer zu bauen, eine Sprachmauer. Sie stand rasch. Zensur findet statt.
(S. 56)
Lesenswert macht das Buch auch der persönliche Werdegang von Schreiber. Aus einem linken Elternhaus stammend sah sie sich früh mit den zerbrochenen Träumen der Wende konfrontiert. Sie fand in der AfD eine weiterentwickelte FDP, in der sich Leistung wieder lohnen sollte. In der sich um die südeuropäischen Staaten gesorgt wurde, die unter der Austeritätpolitik der EU stöhnten. Die zunehmende Dominanz des rechten oder darf man sagen neofaschistischen Flügels um Bernd Höcke liessen die unsprünglichen Ziele der AfD für sie verschwimmen. Bei der Entmachtung von Frauke Petry am Kölner Parteitag reifte der Entschluß , kurz vor der Bundestagswahl zurück zu treten. Sie wollte damit noch den ein oder anderen AfD-Wähler motivieren, sein Kreuz woanders zu setzen. Dies ist ihr leider nicht gelungen.
Inside AfD-Die Lesung
Aus diesen Gründen war ich ehrlich gesagt auch etwas skeptisch. War ihr Parteiaustritt vielleicht auch dem Rücktritt von Frauke Petry geschuldet und weniger der Radikalisierung der Partei. War ihre Karriere schlichtweg beendet? Und ein wenig kam ich mir auch vor, wie ein Zoo-Besucher, denn JA Vorsitzende von Sachsen und Mitglied im Bundesvorstand der AfD (gewesen) zu sein, ist schließlich kein Kinderteller. Zum Glück gibt es Vorurteile.
Franziska Schreiber wirkt sympathisch und mit ihrem Look könnte sie auch glatt als grünliberale Sozpäd-Studentin durchgehen. Zum Glück kann man Menschen nach ihrem Äußeren beurteilen und damit will ich es jetzt aber auch belassen. Sie las im Gemeindesaal Tuttlingen drei Ausschnitte aus „Inside AfD“
Deutschlandfahne am Stiel
Zwei Stellen fand ich besonders bemerkenswert. Ihr Hinzustoßen zur Pegida im Januar 2015 beschreibt sie fast als Erweckungserlebnis. Aufgekratzte JA-Mitglieder, die eine alte Deutschlandfahne um einen Besenstiel binden. 25.000 Menschen, die einen Ring um die Dresdner Altstadt bilden. Der Blick zur Staatskanzlei und der Gedanke: Was wäre jetzt, wenn jetzt all diese Menschen… In diesem Momenten merkt man Schreiber immer noch an, welche Emotionen dieses Erlebnis für sie ausgelöst hat. Auch die Erleichterung nach dem Verlassen der Spirale aus „Hass, Angst und Unzufriedenheit“ und dem Ausbruch aus der Filterblase war ihr sichtlich anzumerken. Ihr Comeback im normalen Leben und der Bruch mit der AfD und ihren Ideen wirkt sehr authentisch.
Die Schilderung über die Entwicklung der AfD und der neuen Rechten wirkt live erzählt noch bedrohlicher als über die Medien kommuniziert. Die strategische Verstrickung mit rechtsradikalen Organisationen. Die Aussage „Der Verfassungsschutz ist nur in Sachsen noch besser mit der AfD vernetzt als auf Bundesebene“. Ihre Einschätzung, dass die Polizei und die Bevölkerung in Städten wie Chemnitz, längst alles tun zum die Rechtsradikalen nicht zu provozieren. Die unverholene Freude im Vorstand über den Anschlag am Breitscheidplatz. All dies erinnert mich eher an die Zustände in Failed States als an unser gutes altes Deutschland.
Wir sind mehr
Umso wichtiger ist es, dass es Menschen wie Stiefel Manz und das Team vom Rittergarten in Tuttlingen gibt, die solche Veranstaltungen organisieren. Das Buch, steht aktuell auf Platz 5 der Spiegel Bestsellerliste. Bundesweit sind nur zwei Lesungen eingeplant. Eine in Tuttlingen, die andere findet in Kassel statt.
Die AfD hat lt. einer Forsa-Umfrage die SPD inzwischen als zweitstärkste Partei abgelöst. Es reicht nicht mehr, das wir mehr sind, wir müssen auch mehr tun.
„Inside AfD“ ist auf jeden Fall zu empfehlen. Wer es sich kaufen will, bitteschön direkt bei Herrn Stiefel.
Anm: Jeder der eine Biographie schreibt, sieht sich selbst im Nachgang in einem anderen Licht als dies Außenstehende tun. Der Artikel reflektiert das Buch von Franziska Schreiber und Lesung in Tuttlingen. Zur frühen Pegida oder zum liberalen Flügel der AfD habe ich selbst eine andere Meinung als Franziska Schreiber. Wer sich ein Bild über ihre Tätigkeit bei der AfD machen möchte, sollte das einfach selbst recherchieren.
Vielen Dank an Zdenko Merkt und Stiefel Manz für die Überlassung der Fotos.
Der Beitrag Inside AfD, Franziska Schreiber @Tuttlingen erschien zuerst auf Plaste.