Alle Platten von Led Zeppelin liegen nun remastert vor und Plaste goes Stadionrock.
Rock aka Stadionrock ein absolutes 70er Jahre Ding, ist die Verkörperung der Idee dieses Jahrzehnts von Popkultur. Und keiner vermittelt das so perfekt wie Led Zeppelin. Aber all das ist heute so relevant wie orange Wählscheiben-Telefone, Queen oder Prilblumen-Aufkleber. Also Vintage-Schrott für die Fasnacht oder für den Schlagermove. Warum sollte uns also heute ihre Musik noch interessieren. Plaste nimmt deshalb die wiederveröffentlichen Studio-Alben unter die Lupe.
Gehen wir doch zurück in eine Zeit, in der sich die Plattenbosse mit den Einnahmen aus Led Zeppelin Platten die Zigarren mit 100 Dollar Scheinen anzünden konnten, in der sich kilometerlange Karawanen mit Tour-Equipment durch die USA schlängelten und Footballstadion für Footballstadion anfuhren. Eine Zeit in der Robert Plants goldenes Lockenköpfchen Pate für ein ganze Stilrichtung stehen durfte (Hairmetall – richtig!). Ein dankbares Zeitalter für Friseure, aber auch Drogendealer im Umfeld des Rockn Roll brauchten sich nicht zu grämen. Denn schon zum Frühstück gab es Koks auf den Toast, ach ja und am Frühstückstisch saßen natürlich auch mindestens 10 Groupies. Pro Bandmitglied versteht sich. Und um seinen Sexappael besser herauszuarbeiten durften sich Rockstars schonmal eine Socke in den Schritt stecken. Stellt euch vor Chris Martin (Coldplay) wickelte sich heutzutage einen Strumpf ums Gemächt. Das würde wahrscheinlich eher nach Windel aussehen.
Was an Led Zep immer noch überrascht ist das Sounddesign ihrer Platten. Wie man mit nur drei Instrumenten einen solchen Höllenkrach veranstalten kann und innerhalb dessen soviele Farbtupfer setzt, die alle zusammenpassen. Da noch ein kleiner Basslauf, dort eine Schlagzeugskizze von John Bonham. Wobei auch die noisigsten Stellen immer noch fast vor Virtuosität platzen und da ist noch nichts darüber gesagt, dass Robert Plant obendrein sogar richtig SINGEN konnte.
Led Zeppelin I
Wir befinden noch in Sechzigern, als Gegenbewegung zur aufgepimpten George-Martin Psychedelia, quasi als ehrliches und erdverbundes Vintage-Ding entdecken viele Bands den Blues. Für ein Erstlingswerk ist die Platte extrem vielschischtig und lebt vor allem vom Bluesrock und den brachialen Mörderriffs von Jimmy Page. Ansonsten ist schon alles da, was die Supergroup durch die Siebziger führen wird, z.B. Dazzed and Confused.
Led Zeppelin II
Das Opus Magnum, auf dem ständig alles gleichzeitig passiert. Laut – leise. Tempiwechsel. Heavy-Rock und Balladen. Virtuosität – straighte Knaller. Nie weit weg und doch ganz woanders als Prog-Rock. In jedem Songs mehr Ideen als im Black Keys Gesamtwerk. Including the 15 best Guitar-Riffs ever. Allerdings gibt es leider keinen anderen Geniestreich der Popkultur mit einem so affendämlichen Cover. Auf babydurchfallbraunem Hintergrund ist die Silhouette der Hindenburg montiert darüber liegt eine Sepia-Fotografie von Zeppelinfahrern natürlich mit einmontierten Gesichtern der Band. Der Schrift darüber ist ein Airbrushverbrechen, das heutzutage in Sekundenschnelle mit Word-Art herzustellen wäre. Beim nächsten Remaster sollte man sich vielleicht auch mal das Cover anschauen (kleiner Tip an Jimmy Page)
Led Zeppelin III
Die Platte mit dem Tarzanschreilied am Anfang. III wirkt dunkler, feucht-funkelnder manchmal auch folkiger als die beiden Vorgänger. Die Songs und der Sound sind von allen drei Alben am geschlossensten. Bei allem Respekt für die Heavy-Blues Klassiker der ersten beiden Alben, ein bißchen patiniert wirkt das Material von I und II inzwischen doch. Zep III ist von allen Alben deshalb das zeitloseste und könnte auch 2015 noch als Indie-Knaller durchgehen. Das farblich reduzierte post-psychedelic Cover mit interaktiver Drehscheibe ist übrigens auch große Klasse – call it Stadionrock.
Led Zeppelin IV
John Bonham ersetzte man durch einen 2m großen Gorilla, der direkt an einem Testosteron-Tropf hing. IV ist die perfekte Blaupause für ein ROCK-Album, angetrieben durch knochentrockene Drums und nie ging Robert Plant so ungebremst nach vorn wie auf diesem Album und zwar von 0 auf 100 in sechs Sekunden Hey, hey, mama, said the way you move.Gonna make you sweat, gonna make you groove. Hatte ich schon erwähnt, dass ganz nebenbei noch die größte und deshalb leider auch abgenudelteste Rock-Ballade aller Zeiten auf dem Album ist. Hatte ich nicht? – da seht ihr mal.
Houses of the Holy
Wirkt irgendwie nicht so bedeutungsschwanger wie die Vorgängerwerke und wurde von der Kritik trotz solcher Großtaten wie “Dyer Maker” oder “Over the Hills and far away” zerissen. Tja in den Siebzigern war die Anforderungslatte an Bands noch etwas höher. Man erwartete neben ca. 1,5 Alben + 2 Welttourneen pro Jahr natürlich auch eine grundsätzliche Weiterentwicklung der Musik. Neben dem hohen Output war leider auch die stressbedingte Mortalität bei den Bands damals höher. Nichtsdestotrotz ist Houses of the Holy ein Album mit dem Jack White seine Rente finanzieren könnte. Neben Led Zeppelin III ein stiller Held im Gesamtwerk.
Physical Graffiti
Die Platte ist ein stampfender, dampfender Monotlith. Ein Blues gespielt mit modrigen Knochen, die Jimmy Page im Missisipi Delta mit seiner doppelläufiger Danelectro persönlich ausgrub. Auf der Platte wurde außerdem das “Kashmir”-Riff erfunden, das in vielen landwirtschaftlichen Betrieben seitdem auch zum Umpflügen von Äckern benutzt wird. Nach Veröffentlichung der Platte schlug ein Komet namens “Johnny Rotten” auf der Erde ein und tötete alle Dinosaurier mit säurehaltigem Zynismus.
Presence
Man hat den Eindruck die siebziger Jahre haben Led Zeppelin nun auch in die Knie gezwungen. Presence ist tonnenschwerer Blues-Hardrock, der von der Supergroup innerhalb sympathischer 12 Tage in München fast live aufgenommen wurde. Die Studiozeit war begrenzt weil die Stones, auch 70er Jahre Burnout-Opfer, das Studio ebenfalls gemietet hatten. Aus heutiger Sicht ein gutes Rock-Album, nur merkt man der Band an, dass der Wille zur Weiterentwicklung und der Esprit hier erstmalig einer Müdigkeit gewichen ist.
In Through the Out Door
Der Produktionsprozess der Platte war überschattet vom tragischen Tod von Robert Plants Sohns, der Drogensucht von Jimmy Page und dem überbordendem Alkoholkonsum von John Bonham. Also übernahm John Paul Jones und produzierte ein Keyboardlastiges Album, das bei einer Fortführung der Band unter “geht so” abgelegt worden wäre. Konnte 1979 neben den Großtaten der Großtaten von Band wie Talking Heads, Gang of Four & Co. aber nicht mehr bestehen.
Nach dem Tod von John Bonham war für Led Zep 1980 Schluß. Sicherlich hätte die Band in den 80ern noch das eine oder andere gute Hardrockalbum liefern können, ich kann mit LedZep allerdings sowenig in die 80er denken, wie die Beatles in die 70er.
Allerdings gab es Ende der 80er noch eine Erfolgsmeldung. Als am 9.11. in Berlin die Mauer fiel und Trabi-Karawanen durch die Stadt schwadronierten, war was ausverkauft? Bananen? TV-Geräte? BMWs? Nein am 10.11.1989 gab es in ganz Berlin keine einzige Led Zeppelin Platte mehr zu kaufen. “Zonnen-Kevins erste Led Zep-Platte” – so hätte ein schöner Titanic Titel lauten können.
P.S. Wichtige Durchsage für alle Audiophile. Fast dreißig Jahre nach der Erfindung der CD bestätigt Jimmy Page, dass der Sound der neuen Remaster CDs sich nicht mehr von dem der Plattenpressungen unterscheidet, wohlgemerkt von denen aus den siebziger Jahren.