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Aus grauer Städte Mauern – die Neue Deutsche Welle in Wort, Bild und Ton

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aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85

Prolog

aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85Bear Family Records hat die beiden Sampler “Aus Grauer Städte Mauern – die Neue Deutsche Welle 1977 – 1985” veröffentlicht. Gern hören wir rein und begeben uns dazu in die gaaaaanz dunkle Ecke der Popkultur, dort wo sonst nur Genres wie Swiss-Reagge oder sächsische Wanderlieder ihren Platz haben. Außerdem war der allererste Bericht in der allerersten Ausgabe meines allerersten Fanzines im Sommer 1982 eine Abrechnung mit der NDW (Hier zum Nachlesen)

 

Monolog

Der erste „Neue Deutsche Welle“ Sampler erschien 1980 unter dem Namen „Sehr gut, kommt sehr gut“.  Die Platte startet mit einem Fake-Radiospot, der sich über die Vermarktung der sub-populären Bewegung lustig macht. Alle Tracks sind allerdings von Xao Seffcheque im Alleingang eingespielt, der darauf u.a. D.A.F. und Kraftwerk parodiert. Nicht ahnend, das NDW-Sampler heute die Kings-of-Grabbelkiste auf jedem Flohmarkt sind. Der Begriff „Neue Deutsche Welle“  wurde zum erstenmal 1979 in der Musikzeitschrift Sounds verwendet,  in der Punkpapst Alfred Hilsberg die Aktivitäten der Deutschen Punk und New Wave Szenen beschrieb.

aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85 Palais Schaumburg

Palais Schaumburg – an Ihrem Debut sollten sich eigentlich noch heute Nachwuchsbands abarbeiten.

Die Bands aus Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Co. fanden vor allem bei der englischen Post-Punk Szene Inspiration, entwickelten sich aber weiter mit dadaistischen oder elektronischen Elementen.  Im Gegensatz zu den Krautrockern aus den 70ern, die Deutsch als die Sprache der Nazis mieden, sangen die Bands am Ende des Jahrzehnts von vornherein deutsch, reflektierten die aktuellen Themen der BRD und spielten mit Duktus der deutschen Sprache. Die ersten Platten wurden ausschließlich über Kleinstlabel vertreten, auch hier war Alfred Hilsbergs Zick-Zack Label führend, der auch  unter dem Motto “Lieber zuviel als zuwenig”  den größten Output hatte den das deutsche Insolvenzrecht gerade noch zuließ.

015-fehlfarben aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85

Fehlfarben – produzieren mit “Monarchie und Alltag “einen Klassiker. Campino versucht seit dem wie Peter Hein zu singen.

Dank der kleinen Labels und ihrer großzügigen Veröffentlichungspolitik war die Musikszene ab 1981 extrem lebendig und experimentierfreudig. Industrial von der Krupps, Studentenpunk von Hans-A-Plast, atonale Psychogramme von den Einstürzenden Neubauten, Witziger Neo-Schlager von den Zimmermännern und Andreas Dorau, Proto-Techno von DAF, polyrythmisch vertonter Dadaismus von Palais Schaumburg, Spaßpop von Trio und nicht zuletzt das zeitlosen Jahrhundert Pop-Meisterwerk “Monarchie und Alltag” von den Fehlfarben.

abwärts aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85

Abwärts: Der Plattenvertrag mit der Industrie brachte zwar weder Geld noch Ruhm, aber doch bemerkenswert durchgeballerte Promofotos.

Die 80er versprachen ein interessantes Jahrzehnt zu werden. Als Grauzones Eisbär im November 1981 in die deutschen Charts schoß hatte die Plattenindustrie wohl den gleichen Gedanken. Pappnasen wie Peter Maffay konnten ja nicht für ewig als Cash-Cows funktionieren. Also wurde jeder für eine NDW-Band gecastet, der nicht lieber KFZ-Mechaniker oder Frisöre sein wollte und den eigenen Namen unter einen Vertrag schreiben konnte. Schülerbands aus Hagen, Freejazzer die gerade noch in eine Zahnpastatubenhose passten, Altrocker ohne Pensionierungsanspruch, Clowns die eine Gitarre halten konnten und alle ehemaligen Schülerchorsängerinen mit einem Stimmumfang bis zu einer halben Oktave.

aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85 Bravo

Bravo NDW Poster mit gewagter Zusammenstellung.

Und so waren im Frühjahr 1982 nicht nur die Lederjackentypen mit “Razors” und “Buzzcocks” Buttons Zielgruppe der neuen deutschen Welle sondern die kompletten geburtenstarken Jahrgänge von 1960-1964. Es war die erste Teenagergeneration deren Eltern bereits mit Popkultur (Elvis, Peter Krauss) in Berührung gekommen waren. Eine Generation, die in den siebzigern von der Protestkultur der späten sechzigern geprägt wurde, deren gescheitere Ideale aber nicht übernehmen wollte (= Hippiescheiße). Die völlig sinn- und hirnentleerte “geistig moralisch Wende” von Helmut Kohl war allerdings auch noch nicht erfunden. Also eine klassische Übergangsgeneration mit Hosen voller Taschengeld, auf die das gesamte Atomwaffenarsenal der Großmächte USA und UDSSSR gerichtet war. 1982 walzte dann auf die Jugendlichen ein Plastikpop-Tsuami mit eingebauten Quatschfaktor zu. Exploitation galore. Und für einen Sommer und danach NIE wieder konnte sich in Deutschland  eine ganze Teenager-Generation vom Punk bis zum Bravo-Leser auf einen Musikstil und ein Lebensgefühl einigen:  Alle mit Rhythmus im Herzen, tanzten den Mussolini und sangen dada und dödödö.

nena markus aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85 Allein für die zweite Jahreshälte 1982 hatte die Musikindustrie über 200 NDW Plattenveröffentlichungen angekündigt. Höhepunkt der Hysterie war der Kinorenner “Gib Gas ich will Spaß” mit Nena und Markus, sowie eine von Lewis Jeans gesponsorte Tournee mit Ideal und Extrabreit. Und ihr merkt schon mit den Punk-Idealen des Selbermachens in Kellerkneipen und Garagen hatte die NDW nichts mehr zu tun. Dummerweise hatte selbst das anspruchslose Radiohörer Publikum von den immer hohler werdenden Botschaften und der Copy & Paste Mucke  schnell die Nase voll.  Und so endeten im September 1982 gleichzeitig die  Ära Helmut Schmidt und die NDW-Hysterie. Die Plattenindustrie hatte die Kuh nicht nur gemolken, sondern gleich bei lebendigen Leib ohne Beilagen gefressen.  Zwar konnten sich in den 80er Jahren auch deutschsprachige Band wie die Ärtze oder die Toten Hosen durch die Charts wursteln aber wer in diesem Jahrzehnt für Popmusik interessiert hielt sich an Gun Club, die Cramps oder Nick Cave. Erst Anfang der 90er bildete sich um Bands wie Die Regierung und Blumfeld wieder eine eigenständige deutschsprachige Popszene.

Dialog

aus grauer städte mauern - die neue deutsche welle 1977 - 85Ihr so:  Vielen Dank an den Vorredner aber wo bleibt nun die Plattenkritik? Muß man sich nach 33 Jahren die Musik eigentlich noch anhören oder kann man sie im Museum besuchen.

Plaste so: Bear Musik hat die ersten beiden Teile von “NDW” auf zwei Doppel-CDs sehr liebevoll kuratiert und dabei die ganze Bandbreite…

Ihr so: …ganze Bandbreite heißt?… auch Spider Murphy Gang?

Plaste so: ..heißt auch Frl. Menke und Hubert Kah, auch Relax ….

Ihr so: oookkaaaaaaay

Plaste so: Achtung jetzt kommts. Die CDs sind trotz  der heterogenen Zusammenstellung extrem unterhaltsam. Auf Songebene sind die Unterschiede zwischen den Hits der Industriebands und “Indiebands” manchmal gar nicht zu hören. Denn die Plattenindustrie hatte ja den Sound der Bands ala Fehlfarben und Palais Schaumburg konsequent abgekupfert. Auf Trackebene hat das manchmal überraschend funktioniert, und wie gesagt der Mix ist gut.

Ihr so: Kann man die Sampler auch heute noch 19-jährigen empfehlen

Plaste so: Auf  jeden Fall. Was mich beim Hören ziemlich überrascht hat ist wie risiko-, experimentierfreudig, offen und mutig die Musiker Anfang der 80er Jahre waren. Und selbst die clownesken Charthits haben ihren Charme und würden heute keinen Weg mehr ins Formatradio finden. Frl. Menke und Hubert Kah waren 1000mal originärer als die Schlagerchen von Helene Fischer und Co.

Ihr so: huiuiui, gibt es sonst noch was Erwähnenswertes?

Plaste so: Dem Samplern liegen schöne Heftchen bei. Dort kann man nachlesen was so aus den Musikern wurde.

Ihr so: Und was wurde so auch Ihnen?

Plaste so: Erst viel Erfolg, Berge von Vinyl gingen über die Ladentheke. Ab 1983 Schluß mit den Bergen, man versucht es mal auf Englisch, man versucht ein bißchen Techno. Dann Familie, oder Krise und/oder Alkohol/Drogen, dann Comebackversuch, nochmehr Krise – schließlich NDW Retroauftritte in Festzelten und Versöhnung mit der eigenen Geschichte und in den Startlöchern fürs nächste Comeback  Außer bei Nena die durfte in Schwenningen im Eisstadion auftreten.

Ihr so: Gab es denn noch mehr von den Bands in unserer schönen Region zu sehen.

Plaste: Na klar, die Tödliche Doris spielte mal in Villingen vor einem total überforderten Publikum. Die Toten Hosen rockten in der alten Tonhalle. Die Mimmis verschlug es sogar in schöne Marbach. Trio kam nach Rottweil. Und die Suurbiers vielleicht auch, aber es ist ja auch schon alles solange her.

Ihr so: Na das muß ja richtig schön gewesen sein, damals jung zu sein.

Plaste so: Tja wem sagen Sie das, wem sagen Sie das.

Greifen Sie zu, bei weiteren Posts zur Neuen Deutschen Welle

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