AnnenMayKantereit – Alles nix Konkretes
Die Entwicklung von AnnenMayKantereits Generation wurde davon geprägt, dass ihre sich Eltern Gedanken über den Zusammenhang von Teletubbies-Konsum und persönlicher Charakterbildung machen musssten. Vielleicht ist das Debutalbum der Band deshalb momentan das am meisten gedisste Thema, direkt nach der AfD und Donald Trump. Den Jungs wird wird mangelnde Relevanz und Harmlosigkeit in fortgeschrittenem Zustand vorgeworfen. Aber eben genau das, das leicht langweilige Leben in der Adoleszenz bringen sie in hoher Perfektion genau auf den Punkt. Und so wie “Keine Macht für Niemand “ die 70er und “Monarchie und Alltage” das Lebensgefühl der frühen 80er reflektieren, schenkt uns „Alles nix Konkretes“ tiefe Einblicke ins Gefühlsleben der Generation Tinky Winky. Wir erfahren von der großen Angst im Leben einmal Mitte dreissig zu werden oder dem Wunsch in eine kuschelige Altbauzimmerwohnung (immerhin mit nem kleinen Balkon) zu ziehen. Man darf sicher sein, dass es die dräuenden Probleme mit Rechtspopulismus und Neoliberalismus den nachfolgenden Generationen schwer machen werden, solche Platten weiterhin zu produzieren Aber „Alles nix Konkretes“ ist ein Album, das sich Midager 2046 aus dem Regal ziehen und dran denken werden, dass Mitte 30 zu sein, doch nicht so schlecht war.
Hörer die AnnenMayKantereit hören, hören auch: Fehlfarben zwischen 1982 und 1985 und Benjamin Blümchen auf Cassette
Isolation Berlin – Aus den Wolken tropft die Zeit
Jedes Jahr wird eine deutschen Band mit ernsten oder auch gern zornigen jungen Männern durchs Feuilleton geschleift. 2014 waren es Trümmer, 2015 die Nerven und 2016 mit Isolation Berlin sogar mal eine Band, die ihre Wurzeln nicht im schwäbischen hat. “Aus den Wolken…” ist weniger verspielt ist die Vorgänger EPs, insgesamt geschlossener und klaustropher. Aber nachdem der Diskurspop mit der letzten Tocotronic Platte in einer hipsterbärtigen Käsfüssigkeit angekommen ist, freut uns die neue Ausrichtung von Isolation Berlin. Es sind nicht die Altagsproblemchen von AnnenMayKantereit, die die Platte dominieren H. Bamborschke denkt da schon in größeren Dimensionen, ich sage jetzt mal Sven Regner. Und die Tracks wie Schlachtensee, die in Richtung Element of Crime weisen, markieren auch die Höhepunkte der Platte. Ausnahme: “Wahn”, der Track entwickelt den besten Sonic Youth Riff, seit „Catholic Block“, den müssen sie wohl in “Girl in a Band” nachgelesen haben.
Hörer die Isolation Berlin hören, hören auch: Ton Steine Scherben und Sven Regner und Kim Gordon Hörbücher.
Bowie hat immer von seinen Partnern profitiert. Den Teenage-Rampage Glam-Rock Riffs von Mick Ronson, Carlos Alomar prägte von Fame bis Let’s Dance den Groove der großen Bowie-Platten und natürlich vom abstrakt intellektuellem Coaching durch Brian Eno. Er bescherte David Bowie den Museen dieser Welt. Blackstar ist beeinflußt davon, wie Kendrick Lamar Jazz in seine eigene Musik montierte und Kamasi Washingten dem Genre seine Coolness zurückschenkte. Donny McLaslin und seine Band verleihen den Songs von Blackstar einen jazzigen und freien Rahmen, der immer durch das Schlagzeug von Mark Guiliana zusammengetackert wird. Nennen wir es mal eine organische Interpretation von Drums and Bass. Ich finde es persönlich ziemlich bescheuert, dass Blackstar als „Abschiedsalbum“ in die Geschichte eingehen wird, auf immer verwoben mit seinem Tod, drei Tage nach der Veröffentlichung und dem morbid, beängstigendem „Lazarus“ Video. Deshalb erklärt Plaste hiermit „Blackstar“ zu Bowies sechstbester Platte.
Hörer die Black Star hören, hören auch die 13.165 Bands, die von David Bowie beeinflußt wurden.
Savages – Adore Life
Savages quetschen seit 2013 die letzten Tropfen aus dem von Interpol von dem Post-Punk-Ding übrig gelassen haben. Zeigen sich in hartkontrastigen S/W Malaria Trademark Pics und sorgen für eine angenehme Renaissence von Frauen mit Einzelkämpferfrisuren. Adore Life entwickelt den Sound ihres Erstlings weiter. Der Tracks sägen, treiben und drängeln weiter wie bei Silence Yourself. Sind aber melodiöser, kristalliner und insgesamt molliger. Ich habe mir geschworen, hier nicht die Phrasendreschmaschine anzuwerfen aber es sei mir doch auch mal vergönnt. Also wrumm wrumm wrumm “ Adore Life“ verhält sich zu „Silence yourself“ wie „Join Hand“ zu „The Scream“ tock tock – ausgeschaltet.
Hörer die Adore Life hören, hören auch die ersten drei Platten von Siouxie and the Banshees und kleiden sich wie Malaria.
Warum in drei Teufels Namen braucht eine so schöne Erfindung wie die Popkultur 60 Jahre um ein Popalbum „Super“ zu nennen. Dazu reichen die Pet Shop Boys ein Cover, das die Platte in 1Euro-Shops neben, aufziehbaren Klappergebissen und Dekomuscheln verortet. Es erinnert uns daran, dass Popkultur von populär kommt. Super ist keine Platte für alternde Pop-Connaisseure und Spex-Leser. Super ist ein Fall für Bravo-Girl, oder als Beilage für die Bunte. Denn Super macht glücklich. Super ist wie jedes zweite Pet Shop Album ein Tanzalbum mit harten pumpenden Beat, federleichtem House-Piano, und Melodien für die Chris Martin ein Kuh bei lebendigem Leib verspeisen würde.. Und was ist mit Texten, was ist mit Botschaften, fragte jetzt der oberschlaue Plaste-Leser. Dazu verweise ich gern auf das altersmilde, auf die 90er zurückblickene „Pop-Kids“ .Ein Ode an die Liebe und die Liebe zur Musik mit der unschlagbaren Refrain „They called us the Pop Kids’cause we loved the pop hits“
Die Pet Shop Boys sind der größte „kleinste gemeinsame Nenner“ der Pop Musik, deshalb hören Pet Shop Boy Hörer durchaus auch Journey oder Peter Maffay (Autsch).
Früher war alles besser! Die besten Reissues bis jetzt!
Punk 45 – Chaos in the City of Angels and Devils
Jungssein (vgl. AnnenMayKantereit) war früher viel einfacher z.B. als Punk. In den 70ern war L.A. eine kokszerschossene Ruine des Rockn’Roll, dominiert von Typen wie Rod Stewart, die so langweilig waren, dass sie ihr eigenes ödes Dasein nur unter Alkohol oder sonstwas ertragen konnten. In L.A. (und San Francisco) entstanden die Prototypen des American Hardcore Punks. Während London immer ganz nah am Glam Rock und David Bowie blieb, New York immer Rockn’ Roll war, entwickelten die L.A. Punks den ultraschnellen, megahysterischen, stolprigen Hardcore-Sound. Popige Refrains ala Buzzcocks waren waren bei der Geschwingkeit nur dann drin wenn man sich auf ein einfaches“Aack, Aack Aack” wie bei den Urinals beschränkte. Gerade weil bei der Punk-Antwort auf Hollywood nur Härte erlaubt war und die Szene im Gegensatz zu San Francisco auch keine Art-Rock Bands (SF: Residents, Tuxedomoon) hervorbrachte, konnten Acts wie TSOL, X, Germs, Adolenszens und Flesh Eater ein ganz eigenen Stil entwickeln. Der Stooges Beitrag auf dem Sampler gehört da eigentlich nicht drauf, macht sich aber ganz gut.
Hörer, die Punk 45 hören, hören auch Punk-Sampler mit fotokopierten Covern und alte Black-Flag Mixtapes von 1982.
This Heat positionierten sich genau auf der Erdspalte, die die tektonischen Plattenverschiebung zwischen Prog und Punk hervorgerufen hatte. 1976 gegründet schafften sie es die musikalischen Weiterentwicklung, also dem klassischen oft fehlgeschlagene Experiment aus den frühen siebzigern mit dem radikalen Geist von Punk und den Ideen von Bands wie Cabaret Voltaire zu verbinden. Die Platten von This Heat balancieren immer zwischen Wut, Songwriting, Industrial und völlig freiem Abdriften. Manchmal wagen sie sich in die Sphären den damalige New Wave Elite ala Gang of Four, manchmal klangen sie wie Throbbing Gristle beim Soundcheck. Deceit ist das letzte und zugänglichste der leider nur drei Alben, die This Heat zwische 1979 und 1981 produzierte.
Hörer, die Deceit hören, hören auch die späten Swans, die frühen Swans und die anderen beiden This Heat Alben.
Count Ossi and the Mystic Relevation of Rastafari – Tales of Mozambique
Count Ossi gehört zu ganz den frühen Rastafaria Pionieren und gründete bereits in den 50er die percussive Count Ossie Group. Ska-König Prince Buster war begeistert von Ossi und verhalf ihm Anfang der 60er zu seinen ersten Aufnahmen. Count Ossie war allerdings fast bereits 50 als er Mitte der 70er begann seine Platten aufnahmen. Und zu einer Zeit als sich Bobbie Marley bereits in die Herzen der westeuropäischen Wohlstandsteenager groovte und die Träume von Pauschalreisen an sonnige Strände und ewigen bekifft sein sein evozierte, machte sich Count Ossie an die „Tales of Mozambique. Rastafari, zu sein bedeutet übrigens für Leute wie Count Ossie nicht Rastalocken auf dem Kopf und den Blunt zwischen den Lippen zu tragen sondern es war eine Religion. Tales of Mozambique ist eine spirituelle Platte. Percussion, basaler Reggea-Groove, Saxophon, Jazz, Ethno die Soundphilsophie erinnert oft stark an die frühen Sun Ra Aufnahmen. Alles in allem eine sehr entspannte Angelegenheit, eine Bemerkung zum Thema Drogen wäre jetzt allzu billig.
Hörer, die Count Ossie hören, hören auch Sun Ra oder die ersten von Lee Perry produzierten Bob Marley Alben.
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